Wettbewerb Städtebauliche Entwicklung „Hans-Böckler-Siedlung“, Glückstadt
Das städtebaulich-freiraumplanerische Konzept für die Hans-Böckler-Siedlung zielt auf ein sorgfältig abgewogenes Gleichgewicht zwischen dem Erhalt bestehender Gebäude und einer städtebaulichen Arrondierung und Neuordnung ab. Mit dem Erhalt bereits sanierter Gebäude wird die graue Energie der bestehenden Bausubstanz für die Entwicklung eines zukunftsfähigen Wohnquartiers genutzt. Mit der städtebaulichen Neuordnung wird die Qualität des Wohnungsbestandes aufgewertet und gleichzeitig werden Nachhaltigkeitsaspekte wie ein neues Energiekonzept (zentrale Heizzentrale), eine dezentrale Regenwasserbewirtschaftung und ein alternatives Mobilitätskonzept integriert.
Städtebau
Durch die städtebauliche Neuordnung werden vier offene Blockstrukturen geschaffen, die die erhaltenswerten Bestandsgebäude integrieren. Dabei wird eine städtebauliche „Idealform“ zugunsten einer wirtschaftlich und ökologisch vertretbaren Mischung aus Alt und Neu zurückgestellt.
Dadurch wird eine Flexibilität vorgesehen, die in Zukunft auch weitere, neue Gebäude in das städtebau-liche Konzept integriert. So handelt es sich im Umgang mit Neu- und Altbauten um eine städtebauliche Leitidee, die nach dem Baukastenprinzip im zweiten Schritt höhere Dichten und eine stärkere Nutzungsmischung zulässt.
Grundlage für diese Neuordnung ist ein Erschließungssystem aus der Haupterschließung Carl-Legien-Straße, drei Twieten, die als Wohnwege die neuen Quartierbausteine in Ost-West-Richtung erschließen sowie der Klaus-Groth-Straße, die als Fahrradstraße das neue Wohnquartier mit der nahegelegenen Innenstadt verbindet. Diese Erschließungsstruktur berücksichtigt den baulichen Bestand, so dass eine schrittweise Entwicklung möglich wird. Gleichzeitig prägt das neue Erschließungssystem auch die Körnung des Städtebaus, die sich auf die Entwicklung von überschaubaren Nachbarschaften konzentriert.
Entwicklung des Quartiers
Phasen der Entwicklung unter Berücksichtigung der Bewohner im Stadtquartier: Erhalt und Renovierung von Bestandsbauten. Das Konzept ermöglicht somit im ersten Schritt Bestandsgebäude zu renovieren, um Menschen die Möglichkeit zu bieten im Quartier, der vertrauten Umgebung, zu bleiben und im zwei-ten Schritt eine Ergänzung von Neubauten vorzunehmen. Am Ende ergeben die renovierten Bestandsbauten und die Neubauten, ein schlüssiges Gesamtbild, ein Quartier mit vernetzten Gartenhöfen.
Jeder der vier Gartenblöcke und die in der äußeren Schale angelegten Nachbarschaften werden mit einer ausgewogenen Mischung aus öffentlich geförderten und frei finanzierten Mietwohnungen sowie Eigentumswohnungen entstehen. Nachbarschaft und sozialer Zusammenhalt über Generationen und soziale Grenzen hinweg sind das zentrale Thema des Entwurfs. Durch die städtebauliche Körnung und die Mischung aus Bestandsgebäuden und Neubauten kann aus alten und neuen Wohnqualitäten ein zukunftsfähiges Quartier geschaffen werden.
Freiraum
Das Freiraumkonzept transformiert die typischen Abstandsflächen der 50-er und 60-er Jahre-Siedlungen in sozialräumlich gegliederte und vielfältig nutzbare Gärten. Die bestehenden, sozialräumlich nicht ge-gliederten Grünflächen werden in privat nutzbare Terrassengärten und gemeinschaftliche Gartenhöfe mit Aufenthaltsangeboten und Kinderspielflächen gegliedert. Ein dichtes Wegenetz durchzieht das neue Quartier und vernetzt es mit seiner differenzierten Umgebung. Auf diese Weise wird ein Stück Stadt der kurzen Wege geschaffen.
Die öffentlichen Räume der drei Twieten und der Fahrradstraße, der heutigen Klaus-Groth-Straße inter-pretieren das Thema der Straße neu und gewinnen diese Stadträume für alle Nutzer, Fußgänger, spielende Kinder, Fahrradfahrer und Pkw zurück. Die Straßen bleiben nicht mehr monofunktionaler Verkehrsraum für motorisierte Fahrzeuge, sondern werden durch die Verkehrsberuhigung und eine Gestaltung im Sinne des shared space wieder zum Stadtraum für Alle. Im Süden und Osten werden die Übergänge genutzt, um öffentliche Spielangebote zu schaffen und die bestehenden Grabelandflächen in das neue Siedlungsbild langfristig zu integrieren.
Wasser ist in der Marsch ein dominantes Thema. Daher prägt das Konzept zur dezentralen Regenwasserbewirtschaftung auch das Erscheinungsbild der Freiräume. Das Oberflächenwasser von allen Dachflä-chen und befestigten Flächen wird in Gräben, gegebenenfalls als Mulden-Rigolen ausgebildet, abgeleitet. Die Gräben oder Mulden bilden einen ausreichenden Retentionsraum, bevor das Wasser über ein Drosselwerk in die Vorflut abgegeben wird. Regenwasser wird so zum gestaltprägenden Element und ist gleichzeitig ein Beitrag für einen klima- und wassersensiblen Städtebau.
Der ausgeprägte Baumbestand im Plangebiet wird zum größten Teil erhalten. Baumschutz und Gebäudeerhalt gehen dabei Hand in Hand. Die Bestandsbäume werden sowohl in den öffentlichen Räumen der Twieten und der Fahrradstraße als auch in den Gartenhöfen durch Neupflanzungen ergänzt. Bei diesen Neupflanzungen werden Baumarten und Gehölze verwendet, die gut an den Klimawandel ange-passt sind und gleichzeitig mit den besonderen Wasser- und Bodenverhältnissen in der Marsch zurecht kommen.
Insgesamt wird eine schrittweise städtebauliche Neuordnung angeregt, bei der die städtebauliche Ge-stalt den Bestand nicht ignoriert, sondern ihn im Zusammenspiel mit den Neubauten für die Entwicklung eines gemischten, zeitgemäßen Wohnquartiers nutzt. Vielfalt und Mischung sind zentrale Themen. Der Freiraum leistet mit seinen differenzierten Angeboten an private, gemeinschaftliche und öffentliche Nutzungen sowie mit seinen Nachhaltigkeitsaspekten bei der dezentralen Regenwasserbewirtschaftung und der standortgerechten und klimaangepassten Bepflanzung einen wichtigen Beitrag für das neue Hans-Böckler-Quartier.
Verkehr
Der Verkehr im Quartier wird neu geordnet: Die Carl-Legien-Straße wird als Sammelstraße ausgebaut und behält auf Höhe der Gerhardt-Hauptmann-Straße eine Bushaltestelle.
Die Gerhardt Hauptmann Straße wird im Zusammenhang mit zwei neu geschaffenen Stichstraßen (Twieten) als verkehrsberuhigter Bereich (Anwohner frei) umgebaut. Die Klaus-Groth-Straße wird zur Fahr-radstraße ausgebaut – damit schafft das Quartier die Vernetzung der Königsberger Straße bis in die In-nenstadt und wird eine für Fußgänger und Radfahrer attraktive Verbindung.
Es werden in einer gemeinsam genutzten Quartiersgarage Stellplätze für die Bewohner geschaffen.
Die Besucherstellplätze der Bewohner werden im öffentlichen Raum untergebracht und Entlang der Carl-Legien-Straße gebündelt. Um die Akzeptanz der Anwohner für die Quartiergarage zu erhöhen, wird vorgeschlagen, diese für die Anwohner gebührenfrei zu halten.
Die Fahrradabstellplätze befinden sich anteilig im öffentlichen Raum, in den Übergängen zu den Gartenhöfen, sowie zum Teil in der Quartiersgarage. Insbesondere in der Quartiersgarage können auch Lademöglichkeiten für E-Bikes vorgesehen werden.
Durch die zeitgemäße Veränderung der Mobilitätsansprüche und zahlreiche Mobilitätsangebote wie z.B. Carsharing, Bikesharing, Ladestationen für E-Mobilität in der Quartiersgarage kann der Stellplatzschlüs-sel von 1,0 Stpl. pro WE abgemindert werden. Die alternativen Mobilitätsangebote werden durch den Quartierskümmerer, der sich gemeinsamen mit kleinteiligen Gewerbenutzungen im Mehrgenerationen-haus an der Carl-Legien-Straße befindet, betreut.
Auftraggeber:
Planungspartner:
Planungszeitraum:
Preis:
Stadt Glückstadt
André Poitiers Architekt Stadtplaner RIBA
2022
3. Preis